Urban Farming

Landwirtschaft in der Stadt: Wie der Megatrend Urban Farming zu mehr Nachhaltigkeit beiträgt

Gemeinschaftsgärten auf Industriebrachen, Gemüsebeete über den Dächern der Stadt, Fischzucht mitten in großen Metropolen: Urban Farming erobert die Städte! Immer mehr Menschen und Unternehmen verlagern die landwirtschaftliche Lebensmittelproduktion in den urbanen Raum und machen sich so für mehr Nachhaltigkeit stark. Wie das Konzept auch die Gastronomie bereichern kann, liest du auf gastro-marktplatz.de.

Urban Farming Gastronomie

Urban Farming: Was ist das?

Pflanzen mitten in Städten und Ballungsgebieten sind keine Neuheit. Selbst in den größten Metropolen gehören Bäume, Blumenbeete und Parkanlagen zum gewohnten Stadtbild und dienen vor allem der Naherholung. Doch mittlerweile werden in urbanen Gebieten auch zahlreiche Pflanzen zu Verzehrzwecken angebaut. Sie dienen der Lebensmittelproduktion und tragen so zur Versorgung der Menschen in den Städten bei. Tierhaltung ist inzwischen ebenfalls zurück in den Metropolen. Vor allem die städtische Imkerei hat sich als erfolgreich bewährt.

Zusammengefasst werden die beschriebenen Bestrebungen unter dem Begriff „Urban Farming“ (auch: „Urban Agriculture“, deutsch: urbane Landwirtschaft), ebenfalls geläufig ist die Bezeichnung „City Farming“. Eine allgemeingültige Definition von Urban Farming existiert nicht, im Wesentlichen versteht man darunter aber das Gärtnern (und die Viehhaltung) im städtischen Raum. Das Konzept ist eng verwandt mit Urban Gardening. Dieses beschreibt allerdings vor allem den Obst- und Gemüseanbau für den Eigenbedarf (etwa in Kleingärten, Hinterhöfen und auf Privatgrundstücken), während Urban Farming vor allem auf die Versorgung der Gesamtbevölkerung ausgerichtet ist und deswegen auch kommerzielle Zwecke verfolgt

Motivation und Gründe: Warum Urban Farming?

Dass Urban Farming im Trend liegt, hat unterschiedliche Gründe. Für das Jahr 2050 wird eine weltweite Bevölkerung von 9,5 Millionen Menschen prognostiziert. Ausgehend von einem Mindestverbrauch von 1.500 kcal pro Person und Tag müsste die landwirtschaftlich genutzte Fläche um zusätzliche 850 Millionen Hektar wachsen. Eine nicht realisierbare Zahl – es sei denn, man zieht auch alternative Räume wie etwa Wände und Dächer in Betracht. Auf diese Weise kann es mithilfe von Urban Farming gelingen, die Zukunft der weltweiten Ernährung zu sichern.

Auch Überlegungen in Bezug auf Nachhaltigkeit spielen bei Urban Farming eine wichtige Rolle. Die lokale Herstellung von Lebensmitteln verkürzt die Transportwege und verringert so den Ausstoß von klimaschädlichem CO2. Ein weiterer Vorteil des Urban Farmings: Es erhöht die Versorgungssicherheit, weil weniger Abhängigkeiten von Großproduzenten entstehen. Selbstversorgung in großem Stil lautet auch hier die Devise. Die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, nach regional und saisonal angebauten Lebensmitteln wird auch anhand des Food-Trends „Brutal Lokal“ deutlich. Dieser stellt Produkte in den Mittelpunkt, die in direkter Nähe auf Feldern und Wiesen sowie in Wäldern wachsen bzw. angebaut werden können.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war Urban Farming übrigens vollkommen normal (auch wenn es damals vermutlich anders genannt wurde). Erst die Errungenschaften der Industrialisierung sorgten dafür, dass menschliche Arbeit durch Maschinen ersetzt wurde – die Landwirtschaft verschwand aus den Städten.

Formen von Urban Farming & Beispiele aus der Praxis

Urban Farming gibt es in unterschiedlichen Varianten. Zu den geläufigsten zählen folgende Formen:

  • Vertical Farming (vertikale Anbauflächen an Gebäuden und Fassaden, an denen Gemüse „nach oben“ gepflanzt wird)
  • Rooftop Farms (Obst- und Gemüseanbau auf bislang ungenutzten Dachflächen)
  • Aquaponik (Aquakultur, etwa Fischzucht, in Verbindung mit Hydroponik, dem Anbau von Nutzpflanzen im Wasser)
  • Gemeinschaftsgärten im urbanen Raum
  • Kleingärten, Schrebergärten und essbare Balkonbepflanzung
  • Guerilla Gardening (eigenmächtige Umwidmung von öffentlichen Flächen zur landwirtschaftlichen Anbaufläche – Achtung: Gefahr des Tatbestands der Sachbeschädigung!)
  • Solidarische Landwirtschaft (kurz Solawi, kooperativ agierende, direktvermarktende Landwirtschaftsbetriebe, die häufig in direkter Nähe zu ihren Kunden angesiedelt sind)

 

Dass Urban Farming tatsächlich hervorragend funktioniert, zeigen zahlreiche Beispiele aus verschiedenen Städten Deutschlands. In den Prinzessinnengärten im Berliner Stadtteil Kreuzberg-Friedrichshain wird auf einer stillgelegten Brachfläche mit einer Fläche von 6.000 m² Obst und Gemüse für den nichtkommerziellen Zweck angebaut. Jeder ist eingeladen mitzumachen und es gibt sogar eine Imkerei. „Pflücken erlaubt“ heißt das Motto der „Essbaren Stadt Andernach“ (Rheinland-Pfalz). Im Rahmen des Projekts werden auf öffentlichem Gelände Nutzpflanzen kultiviert. Die ECF-Farm in Berlin-Schöneberg beweist, dass Urban Farming ein ganzheitliches Konzept ist und verbindet Fischzucht mit dem Anbau von Kulturpflanzen. In Aquaponik-Anlagen werden hier Barsche gezüchtet. Das mit den „Hinterlassenschaften“ der Fische angereicherte, nährstoffreiche Wasser aus den Teichen kommt anschließend als Dünger für Kräuter, Tomaten und Salate zum Einsatz. Die Pflanzenwurzeln helfen, das Wasser zu reinigen, sodass es erneut für die Fischzucht verwendet werden kann. Mehr Kreislaufwirtschaft geht fast nicht.

Vorteile und Nachteile von Urban Farming im Überblick

Der Anbau von Nutzpflanzen in der Stadt wirkt sich positiv auf die urbane Umgebung aus. Urban Farming bietet folgende Vorteile:

  • geringere Umweltbelastung durch kürzere Transportwege
  • Verbesserung des städtischen Mikroklimas
  • Begünstigung der Artenvielfalt
  • Beitrag für nachhaltige Stadtentwicklung
  • Sensibilisierung für nachhaltige Lebensstile
  • Bildungsfunktion
  • Förderung von Begegnungen mit anderen Menschen
  • Engagement für die eigene Stadt/den eigenen Stadtteil

 

Doch trotz aller Bemühungen scheint beim Urban Farming auch im übertragenen Sinne nicht immer die Sonne – denn aus dem Konzept ergeben sich durchaus auch Herausforderungen. So ist unter anderem die Schadstoffbelastung im urbanen Raum in der Regel höher als auf dem Land. Das kann sich negativ auf das Wachstum der Pflanzen auswirken und bei diesen ebenfalls zu einer höheren Schadstoffbelastung führen. Zudem erfordert Urban Farming regelmäßige Pflege und Verantwortung (für kommerziell tätige Urban Farmer spielt das aber zugegebenermaßen eher eine untergeordnete Rolle – Job ist Job!). Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Urban Farming als schnelle Lösung für ein wesentlich tiefer verwurzeltes Problem angesehen wird. Denn unter Umständen verstärkt die urbane Lebensmittelproduktion soziale Ungleichheiten und strukturelle Probleme wie die Arbeit im Niedriglohnsektor. Auch stehen durch das Urban Farming womöglich weniger Flächen für den Bau neuer Wohnungen zur Verfügung. Preiswerter Wohnraum ist ein drängendes Problem für viele Menschen in Deutschland. Ebenfalls problematisch: Extrembeispiele wie die sogenannten „Schweinehochhäuser“, mehrstöckige Gebäude, in denen Schweine für die Fleischproduktion gezüchtet werden. Echte Nachhaltigkeit (und Tierfreundlichkeit) sieht anders aus!

Gelingt es jedoch, die genannten Herausforderungen zu meistern, kann sich die städtische Landwirtschaft durchaus als zukunftsfähiges Konzept etablieren. Denn Fakt ist: Urban Farming hat das Potenzial, einen wichtigen Beitrag für den Fortbestand des Planeten Erde zu leisten.

Gastro Food-News & Aktionen per Mail?

Melde dich zu meinem Newsletter an!