Die Food-Bewegung „Nose to Tail“ setzt sich dafür ein, nicht nur die Edelstücke, sondern alle Komponenten eines geschlachteten Tieres zu verarbeiten. Doch was genau bedeutet das eigentlich und woher kommt der Trend?
Leaf to Root und Nose to Tail liegen im Trend
Das Thema Nachhaltigkeit ist im Gastronomiealltag angekommen. Ob vegane Wurst- und Fleischalternativen, Zero Waste oder Lebensmittel aus regionaler und saisonaler Herkunft: Was auf den Tellern deiner Gäste landet, sollte nicht nur lecker, sondern auch umweltfreundlich sein. Im Trend ist auch „Leaf to Root“ (deutsch: vom Blatt bis zur Wurzel).
Das vegane Pendant zum Konzept „Nose to Tail“ setzt sich dafür ein, jedes verwertbare Stück einer Pflanze zu nutzen. Meist werden beim Kochen nämlich nur die „Filetstücke“ verwendet. Bei Leaf to Root hingegen kommen auch alle anderen Teile, die sogenannten „Second Cuts“ – etwa Schalen, Wurzeln, Strünke, Blätter, Stiele und Blüten – zum Einsatz. Das ist gleich aus mehreren Gründen sinnvoll:
- Dein Gastronomie-Betrieb setzt sich aktiv gegen die Verschwendung von Lebensmitteln ein
- Die Verwendung neuer Gemüseteile bereichert deine Küche und sorgt für Abwechslung auf der Speisekarte.
- Du bietest deinen Gästen die Möglichkeit, neue Aromen und Rezepte zu entdecken.
- Die „neuen“ Pflanzenteile schmecken nicht nur besonders aromatisch, sondern sind noch dazu reich an gesunden Nährstoffen.
Die Geschichte von Leaf to Root
„Erfunden“ wurde das Konzept von der Journalistin und Restaurantkritikerin Esther Kern im Jahr 2014. Während ihrer Arbeit fiel der Gastro-Expertin auf, dass viele Spitzenköche auch Gemüseteile verwerten, die üblicherweise im Kompost landen. Das brachte sie auf die Idee, auch das Kraut der von ihr in ihrem Garten angebauten Karotten zu verwenden. Auf ihrer Website „Leaf-to-Root“ startete sie deshalb die Aktion „Leaf to Root“, bei der sonst oft verschmähte Gemüsebestandteile ins Rampenlicht gerückt werden.
Wirklich neu ist die Idee übrigens nicht. Denn was heute als Trend gefeiert wird, war einst überlebensnotwendige Praxis. Früher war es ganz normal, alles zu verwerten – sowohl beim Gemüse als auch bei Tieren. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten galt es, die knappen Lebensmittel, die man der Erde abgerungen hatte, optimal zu nutzen. Der Leaf-to-Root-Trend ist also Innovation und Tradition in einem.
Leaf to Root in der Gastronomie: Das solltest du beachten
Der Gedanke von Leaf to Root ist es, aufzuzeigen, was Gemüse alles kann, jeden einzelnen Teil wertzuschätzen und so einen neuen Bezug zum Lebensmittel zu ermöglichen. Darüber hinaus eröffnet diese neue Esskultur mehr Kreativität und Abwechslung auf dem Teller. Auch regionale Sorten kommen so in einem neuen, exotischen Gewand daher. Für Einsteiger empfehlen sich vor allem Rezepte mit z.B. den Blättern von Radieschen, Kohlrabi und Roter Bete. Mittlerweile gibt es sogar Landwirte, die sich auf das Konzept spezialisiert haben und ihr Leaf-to-Root-Gemüse unter anderem an die Spitzengastronomie verkaufen.
Wichtig: Verwende ausschließlich Gemüse und Obst aus kontrolliertem Bio-Anbau. Im konventionellen Landbau kommen oft Spritzmittel gegen Unkraut und Insektenbefall zum Einsatz. Die gesetzlich festgelegten Grenzwerte für bestimmte Stoffe können dann nur für die Filetstücke, nicht für die gesamte Pflanze eingehalten werden. Darüber hinaus sind nicht alle Pflanzen bzw. Pflanzenteile für Leaf to Root geeignet: So enthalten beispielsweise Tomatengrün und die grünen Stellen der Kartoffelschale Solanin, das leicht toxisch wirkt. In Rhabarberblättern steckt hingegen giftige Oxalsäure – die Blätter sind also tabu. Nitratreiche Lebensmittel wie Rote Bete, Fenchel und Rettich, aber auch Blattgemüse (etwa Spinat und Mangold) sollten nur in Maßen verzehrt werden – am besten blanchiert, denn das verringert den Nitratgehalt.
Ideen und Rezepte: Leaf to Root für deine Gäste
Hast du Lust, Leaf to Root in deinem Gastro-Betrieb umzusetzen, stehen dir zahlreiche Möglichkeiten offen. Mit ein wenig Kreativität und ein bisschen Übung kannst du eigene Rezeptideen entwickeln. Grundsätzlich helfen dir folgende Hinweise weiter:
Blätter verwerten
Bei Gemüse wie Karotten, Roter Bete, Brokkoli, Kohlrabi, Blumenkohl, Radieschen und Mairübchen schmecken auch die Blätter sehr aromatisch. Junge, zarte Blättchen kannst du roh verwenden – etwa für Salate, Smoothies und Pesto. Ältere Blätter oder solche, die etwas größer sind, schmecken manchmal ein wenig bitter oder sind leicht faserig. Du solltest sie deshalb am besten zum Kochen einsetzen – etwa für Suppen und Pürees, Pastasaucen, Aufläufe, Quiches und Currys.
Schalen, Strünke, Stängel und Stiele verwerten
Grundsätzlich eignen sich alle Bestandteile von Gemüse für die Zubereitung eines aromatischen Fonds. Egal, ob Brokkolistrunk, Spargelschale oder Kohlrabigrün – schneide einfach alles klein und koche das Ganze mit Wasser, Salz und weiteren Gewürzen zu einem Sud bzw. Fond auf. So lassen sich auch etwas härtere und holzige Stellen verwerten und du hast eine spannende Basis für leckere Suppen und Soßen. Bei vielen Sorten kannst du die Strünke einfach mitkochen – etwa bei Spinat, Mangold und Grünkohl. Schalen von Obst und Gemüse kannst du trocknen oder frittieren und zu selbstgemachten Chips verarbeiten. Bei Bio-Zitrusfrüchten kannst du die Schale einfach abreiben, bei Bedarf einfrieren und zum Würzen von süßen und herzhaften Speisen verwenden. Selbst Bananenschalen lassen sich zum Kuchenbacken nutzen.
Blüten, Knospen und Kerne verwerten
Viele Blüten, etwa von der Kapuzinerkresse, sind essbar und somit eine ansprechende und aromatische Garnitur für Salate und andere Speisen. Zucchiniblüten eignen sich hervorragend zum Befüllen. Die Knospen von Schnittlauch und Bärlauch kannst du einlegen und als Ersatz für Kapern verwenden. Diese wachsen nämlich hierzulande nicht, sondern werden meist aus dem Mittelmeerraum in unsere Breiten transportiert. Kürbiskerne röstest du einfach und gibst sie für eine Extra-Portion Crunch und Aroma über die fertig zubereitete Speise. Papaya-Kerne sind leicht scharf und bilden gemahlen einen spannenden Pfefferersatz.
Inspirationen für deinen Gastro-Betrieb
Ideen für die Leaf-to-Root-Küche findest du beispielsweise in speziellen Kochbüchern, aber auch online. Wir haben dir ein paar Rezepte als erste Inspiration aufgelistet – Ausprobieren lohnt sich!
- Pesto aus Karottengrün
- Konfitüre aus Kartoffelschalen
- Spinatwurzeln als Gemüsebeilage
- Salat aus Melonenschalen (eine Spezialität aus China)
- Saurer Brokkoli (eingelegt mit Röschen, Stiel und Blättern)
- Radieschenblätter-Cremesuppe
- Magnolienblüten-Salat
- Miso-Brühe aus Schalen und Gemüse-„Abschnitten“
- Ausgebackene Rhababerblüten
- Würzpaste aus Kürbisblättern
Mehr über das „tierische“ Äquivalent zu Leaf to Root – nämlich Nose to Tail – erfährst du übrigens im Food-Blog von gastro-marktplatz.de. Legst du Wert darauf, die Prozesse in deinem Gastro-Betrieb möglichst nachhaltig zu gestalten, findest du dort weitere zahlreiche Impulse – etwa zu Plant-Based Food, essbaren Strohhalmen oder veganen Fleischersatzprodukten aus Weizenprotein.